pte20070728002 Technologie/Digitalisierung, Unternehmen/Wirtschaft

One-CEO Bang-Jensen: "Mobilfunker müssen sexy oder cheap sein"

Scheidender One-Chef im pressetext Exklusiv-Interview


Jørgen Bang-Jensen:
Jørgen Bang-Jensen: "Zehn Jahre sind genug" (Foto: One)

Wien (pte002/28.07.2007/06:15) Vor wenigen Tagen präsentierte One-CEO Jørgen Bang-Jensen die beste Halbjahresbilanz der Unternehmensgeschichte. Schon bald wird der mit zehn Jahren längstdienende CEO der Branche seinen Sessel räumen. Im Gespräch mit pressetext lässt Bang-Jensen die letzten zehn Jahre Revue passieren. Außerdem wirft er einen Blick in die Zukunft und erzählt, warum das iPhone für Europa (noch) nicht geeignet ist.

pressetext: Im vergangenen Jahr wurde Telering um 1,3 Mrd. Euro verkauft - One hat mit 1,4 Mrd. Euro nur geringfügig mehr Verkaufswert erzielt, obwohl One doppelt so viele Kunden hat. Ist One im Verhältnis deutlich weniger Wert als Telering?

Bang-Jensen: Das kann man nicht vergleichen, da es sich bei Telering um eine Fusion gehandelt hat, also um eine Konsolidierung des Marktes, wo ein strategischer Wert gezahlt wird, weil man vor allem Einsparungen aufgrund der Zusammenlegung von zwei Netzen hat. Bei One handelt es sich um eine gewöhnliche Übernahme. Außerdem gehen die Preise stetig auf und ab und in der letzten Zeit - speziell nach der Übernahme von Telering - sind die Preise für Mobilfunkkunden weltweit zurückgegangen.

pressetext: One hat am Mittwoch das beste Halbjahresergebnis seit Bestehen präsentiert. Aus dem Umfeld des neuen Eigentümers heißt es jedoch, dass die "Profitabilität bei One zuletzt drastisch zurückgegangen ist". Wo liegt die Wahrheit?

Bang-Jensen: Erstens weiß ich nicht, auf welchen Quellen diese Gerüchte basieren. Es ist klar, dass der Mobilfunkmarkt in Österreich sehr umkämpft ist und die Preise in den letzten beiden Jahren im zweistelligen Prozentbereich pro Jahr gesunken sind. Das führt natürlich zu einer geringeren Profitabilität pro Kunde. One hat diesen Verlust mit einer erhöhten Kundenanzahl ausgleichen können, sodass wir ein besseres Ergebnis herzeigen können als vorher - insgesamt läuft es für One gut.

pressetext: Welche Möglichkeiten wird One in Zukunft haben, die man mit dem alten Eigentümer nicht gehabt hat?

Bang-Jensen: Mit vier Gesellschaftern wie es bisher war - obwohl diese One immer voll unterstützt haben - ist es viel schwieriger, Entscheidungen zu treffen als mit zwei Gesellschaftern. Unternehmen, die One beobachtet haben, haben sich gefragt: Wie schaut die Zukunft von One aus? Diese Zukunft ist jetzt geklärt. France Telekom und MEP sind die neuen Eigentümer in einer Konstellation, die offenlegt, dass das Unternehmen bestehen bleibt. Das öffnet jetzt natürlich Möglichkeiten, die es früher nicht gegeben hat, da die Sicherheit größer geworden ist.

pressetext: Hat es in der Vergangenheit Entscheidungen gegeben, die aufgrund der komplexen Eigentümerstruktur zu spät getroffen wurden?

Bang-Jensen: Es hat Themen gegeben, wo es lange gedauert hat und auch Themen, wo es keine Einstimmigkeit gegeben hat.

pressetext: Die Marke One wird es in zwei bis drei Jahren möglicherweise nicht mehr geben. Finden Sie das persönlich nicht schade?

Bang-Jensen: Persönlich finde ich das natürlich schade. Aber wenn One ersetzt werden sollte, dann gibt es keine bessere Marke als Orange. Die Marke Orange ist eine schöne Marke, die viele Werte hat, die One sehr ähnlich sind. Aber wenn man zehn Jahre lang mit One gelebt hat, steckt natürlich sehr viel Herz mit drinnen. Es ist aber jedenfalls ein großer Unterschied zu dem damaligen Markenwechsel von Max zu T-Mobile zu sehen. Max war eine sehr sympathische lokale Marke und wurde zu einer abgehobenen, internationalen und coolen Marke T-Mobile. One spricht die jungen, urbanen, freiheitsdenkenden Kunden an - so wie Orange. Dieses Rebranding - wenn es dazu kommen sollte - wird viel einfacher und für die Kunden bringt es hoffentlich einige Vorteile.

pressetext: Wie sieht die Zukunft der europäischen Mobilfunkbetreiber aus? Können einzelne kleinere Mobilfunkbetreiber überhaupt noch überleben?

Bang-Jensen: Es wird schwierig aber nicht unmöglich. Vielen Industrien wurde vorausgesagt, dass es etwa nur fünf oder zehn Player am weltweiten Markt geben wird. Nicht immer sind diese Voraussagen eingetroffen. Dieser Trend dauert in der Dienstleistungsbranche länger. Das sieht man bei den Banken oder auch bei den Fluglinien. Im Mobilfunkbereich ist es so, dass die Zugehörigkeit zu einem großen globalen Konzern allein noch nicht reicht. Es macht nur dann einen Sinn, wenn der Konzern auch etwas beisteuern kann - Vorteile etwa beim Einkauf oder bei der Produktentwicklung. Diese Vorteile kann Orange anbieten und ich glaube sogar besser als viele andere am Markt.

pressetext: Wird es im österreichischen Mobilfunkmarkt weitere Konsolidierungen geben? In einem Interview mit pressetext vor sechs Monaten haben Sie davon gesprochen, dass drei Mobilfunknetze in Österreich ausreichend sind. Wäre One bzw. Orange der optimale Kandidat, um Drei zu übernehmen?

Bang-Jensen: Wir haben ja selbst sechs Jahre lang mit Übernahmegerüchten leben müssen. Aus unserer Sicht ist ein effizienter Versorgungswettbewerb mit drei Netzwerken gegeben, daher ist ein viertes Netzwerk nicht notwendig. Ein Netzwerk kostet einige hundert Millionen Euro und dafür zahlen die Kunden. Das heißt, gibt es zu viele Netzwerke, dann ist dies ineffizient für den Wettbewerb. Auch in den meisten anderen Ländern Europas gibt es nur drei Netzwerke - lediglich die großen Länder wie Deutschland haben vier Netzwerke. Diese Bereinigung kann man über verschiedene Formen erreichen. Das müssen dann die neuen Gesellschafter von One gemeinsam mit den anderen Playern am Markt herausfinden.

pressetext: Sie waren jetzt zehn Jahre an der Spitze von One. Das Unternehmen hat sich aller Unkenrufe zum Trotz stets gegen die große Konkurrenz behaupten können. Mit welcher Philosophie sind sie in den letzten zehn Jahren tagtäglich zur Arbeit gegangen?

Bang-Jensen: Mit der Überzeugung, dass das beste Team auch das Beste im Markt leisten kann, damit wir schneller und agiler agieren können als unser Mitbewerb, um unseren Martktanteil auszubauen bzw. zu halten. Natürlich gibt es Höhen und Tiefen, aber wir haben uns sehr gut geschlagen. 2004 haben wir umstruktiert und unsere Kostenbasis gesenkt, damit wir in einen noch intensiveren Preiswettbewerb gehen können. Aber auch hier haben wir gesagt, wir brauchen das beste Team und das effizienteste Unternehmen, dann können wir uns gegen Mobilkom und T-Mobile behaupten.

pressetext: Es ist mittlerweile selten geworden, dass ein CEO zehn Jahre an der Spitze eines großen Unternehmens steht. Besteht nicht die Gefahr, dass man nach einigen Jahren betriebsblind wird?

Bang-Jensen: Deshalb gehe ich ja (lacht). Zehn Jahre ist eine sehr lange Zeit, darüber hinaus war ich vorher vier Jahre CEO bei einem anderen Mobilfunkbetreiber. Neue Kräfte sind nicht schlecht. Jetzt fällt der Zeitpunkt des Eigentümerwechsels mit meinem Zehn-Jahres-Jubiläum zusammen. Das war aus meiner Sicht der richtige Zeitpunkt zu sagen: Danke, es waren zehn sehr schöne, herausfordernde Jahre und jetzt muss jemand anderer die nächste Phase von One führen.

pressetext: In zehn Jahren kann man natürlich auch viele falsche Entscheidungen treffen. Welche großen Entscheidungen hätten Sie rückblickend betrachtet anders treffen sollen?

Bang-Jensen: Es gibt immer ein paar Themen, wo man aus jetziger Sicht sagen kann, das hätten wir anders machen können. Aus diesen Fehlern lernt man - wichtig ist, dass ein CEO auch seine eigenen Fehler beheben kann.

pressetext: Vielleicht ein Beispiel: Als Telering in den Markt eingetreten ist, hatte man den Eindruck als ob One ein halbes Jahr nicht darauf reagiert hat?

Bang-Jensen: Das wäre vielleicht eines der Themen, wo ich sagen würde: Wir haben richtig reagiert aber zu spät. Das weiß man jedoch immer erst nachher.

pressetext: Blicken wir in die Zukunft: In Österreich sind die Mobilfunk-Preise so billig wie in keinem anderen Land Europas, die Handy-Penetration liegt bei über 100 Prozent. Welche Strategie müssen Mobilfunker in Österreich in Zukunft fahren, um sich gegen den Mitbewerb durchsetzen bzw. behaupten zu können?

Bang-Jensen: Es gibt eine renommierte Studie in Schweden, die sagt: Mobilfunker müssen entweder 'sexy' oder 'cheap' sein. Natürlich kann man es nicht so einfach darstellen, aber jeder Betreiber braucht eine Positionierung, die für den Kunden eindeutig und klar ist, sodass er sagen kann, ich bin Kunde bei XY, weil das für den Kunden genau das richtige Angebot ist. Und das ist nicht nur der Preis, das ist eine Kombination aus Netzqualität, Werbung und den angebotenen Produkten im Privat- und Businesssegment, den Kooperationsmöglichkeiten und noch vielen anderen Faktoren. Jeder muss seine eigene klare Positionierung finden. Der, der sie nicht findet, wird verlieren. Die Polarisierung heißt also sexy oder cheap. Natürlich gibt es aber dazwischen Nuancen. Wir sehen es jetzt auch beispielsweise bei den Fluglinien. Die Austrian hat seit einiger Zeit wieder das Essen an Board eingeführt, um sich zu differenzieren. Ob es die Kunden bewegt, wird man erst in einigen Jahren sehen.

pressetext: Der Preiskampf hält indes weiterhin mit voller Härte an. Immer wieder wird betont, dass das Ende der Preisspirale erreicht ist. Wann ist das Ende erreicht?

Bang-Jensen: Das Ende ist erreicht, wenn die Preise wieder zu steigen anfangen. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass die Öl- und Strompreise steigen - fast alle Preise steigen. Nur die Telekompreise gehen zurück. Der durchschnittliche Minutenpreis in Österreich ist in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent gesunken. Das war eine rasante Entwicklung. Geht dies unendlich weiter bis zur Gratistelefonie? Natürlich nicht, man muss die Telefonie mit anderen Services koppeln oder mit Pauschalpreisen arbeiten. Das Motto wird lauten, mehr anzubieten zum gleichen Preis. Ich glaube persönlich, dass die Preise sich halten werden, vielleicht gehen sie sogar leicht nach oben aber dafür bekommen sie mehr Minuten, mehr SMS und mehr Inhalt.

pressetext: Das iPhone ist derzeit ein großes Thema. Ist das iPhone für einen Mobilfunkbetreiber ein nettes Gimmick oder ein imagebringendes und vor allem auch umsatzbringendes Gerät? Braucht man es im Angebot?

Bang-Jensen: Das iPhone wie es derzeit angeboten wird, ist für Europa nicht geeignet. Es hat kein 3G, was in Europa ein No-No ist, und auch keine MMS-Funktion, was auch ein großer Nachteil ist. Wenn diese beiden Nachteile behoben werden, ist das iPhone ein super Gerät und ein wichtiger Schritt in eine richtige Richtung, da eines der größten Unternehmen im Bereich der Elektronik-Industrie jetzt beschließt, in den Mobilfunkmarkt einzusteigen. Aber nicht, um den Markt zu erobern - den haben Nokia, Motorola, Samsung und Sony Ericsson fest im Griff. Apple kommt mit einer neuen Anzahl von Funktionen in einem Gerät, mit dem man auch telefonieren kann und die anderen müssen jetzt nachziehen. Und das führt zu einer Situation, die meiner Vision entspricht. Wir haben ein digitales, mobiles Gerät, das uns im Alltag unterstützt und mit dem wir auch telefonieren, SMS oder E-Mails schreiben können. So wie jetzt bereits die meisten Minuten über das Mobilfunknetz und nicht über das Festnetz telefoniert werden, so wird es auch mit dem Datenverkehr aussehen. Das heißt jetzt nicht, dass das Festnetz aussterben wird. Das Festnetz muss in Zukunft etwas anderes anbieten: Videos, Filme zum Download mit einer Geschwindigkeit anbieten, die deutlich höher ist als im Mobilfunk. Das iPhone wird jedenfalls bei den anderen Handyproduzenten dazu führen, dass ähnliche Geräte mit gleichen oder ähnlichen Möglichkeiten entwickelt werden. Erst dann kommt UMTS voll zur Geltung, wie wir es eigentlich schon 2002 angedacht haben.

pressetext: Sehen Sie also derzeit keinen Vorteil für jene Netzbetreiber, die das iPhone in Zukunft exklusiv vertreiben können?

Bang-Jensen: In Europa sind wir gewöhnt, dass wir ein Handy mit einem Zweijahresvertrag um null Euro bekommen. In den USA wird das iPhone mit Vertrag um mehrere hundert Dollar verkauft. Bis wir die Europäer dazu bringen, 500 Euro für ein Gerät zu zahlen, wird noch einige Zeit vergehen. Außerdem bestehen ja weiterhin die Probleme etwa mit den Batterien, die nach 400 - 500 Aufladungen ausgetauscht werden müssen. Das Gerät muss dann an Apple geschickt werden und 50 Dollar Reparaturkosten fallen an. Hier sind wir in Europa gewöhnt, dass dies vom Netzbetreiber - ohne Kosten - übernommen wird. Das Gerät ist super, ist sexy und hat viele gute Ideen, doch alles rundherum muss auch funktionieren.

pressetext: Welchen Tipp haben Sie für Ihren Nachfolger Michael Krammer?

Bang-Jensen: Ich habe einige Tipps, doch die werde ich ihm unter vier Augen sagen.

pressetext: Wo wird man Sie in der Zukunft sehen? Werden Sie im Telekom-Bereich bleiben?

Bang-Jensen: Ich habe noch keine Entscheidungen getroffen. In erster Linie warte ich jetzt das Closing der Übernahme ab. Danach werde ich eine kurze Auszeit nehmen und dann melde ich mich wieder. Ich möchte gerne in Wien oder in Österreich arbeiten - aber auch in Europa, sofern es einen Direktflug nach Wien und Kopenhagen gibt. Ich werde aber in der Dienstleistungsbranche bleiben.

pressetext: Vielen Dank für das Gespräch.

(Ende)
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